Erklärung der VVN-BdA im LDS zur europäischen und deutschen Asylpolitik

In Anbetracht der Politik gegenüber Geflüchteten in den letzten Jahren und der EU-Innenminister-Verhandlung vom 08.06.2023 in Luxemburg zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geben wir die folgende Erklärung ab:

Viele Bürgerinnen und Bürger der sogenannten „westlichen Hemisphäre“ reisen in andere Länder, weil sie Lust darauf haben und über die Mittel verfügen. Viele Menschen aus dem „Süden“ begeben sich wegen unsäglicher Not auf die Reise in den „Norden“, der Mitverursacher der Fluchtursachen ist: Hunger, Arbeitslosigkeit, Kriege, politische, religiöse, sexuelle Verfolgung, Entwaldung, Versteppung, Verdrecken der Meere sind Gründe für diese Flucht, die unzählige von ihnen das Leben kostet. Verhungert, verdurstet, erschossen, ertrunken bleiben sie auf der Fluchtstrecke zurück.

Die EU – redlich bemüht sich als Hort von Frieden, Freiheit, Wohlstand, Demokratie und Menschenrechten in Szene zu setzen – schottet sich zunehmend durch immer unmenschlichere Maßnahmen ab, versucht Geflüchtete abzuschrecken, abzuwehren, zur Umkehr zu zwingen oder „zurückzuführen“. Dieses Verhalten – auch der deutschen Regierung – konterkariert alle Bekenntnisse zu ihren eigenen und zu den internationalen Werten, lässt ihre Bekenntnisse als reine Luftblasen erscheinen.

Wovon sprechen wir?

  • Gewalt außerhalb des EU-Territoriums: Seit Jahren werden Länder/Territorien südlich und östlich des Mittelmeeres (von Marokko bis zur Türkei) durch Geld, Ausbildung, Waffen, politische Zugeständnisse und Druck dazu gebracht, die Drecksarbeit im Vorfeld zu leisten. Sie internieren, lassen nicht durch, treiben zurück, verletzen, töten. Neuerdings wird versucht, auch die Republik Tunesien dafür zu kaufen. 
  • Gewalt an den EU-Grenzen: Aktuell werden Zäune und „Sicherungsanlagen“ über tausende von Kilometern an den EU-Außengrenzen errichtet. Bis zum Jahre 2027 soll die für Pushbacks berüchtigte und mit Zwangsrückführung betraute Frontex auf 10.000 Polizisten und Gendarmen aufgestockt werden.
  • Gewalt auf Flughäfen: Asylsuchende, die per Flugzeug einreisen und keinen Pass vorweisen können oder aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat kommen, sollen künftig statt 19 Tagen 3 Monate lang für ein sogenanntes „Flughafenverfahren“ interniert werden dürfen.
  • Die Forderung nach schnelleren und vereinfachten Verfahren für Asylanträge für „Nationalitäten mit niedrigen Anerkennungsquoten“ (unter 20 Prozent) hebelt das Asylrecht aus und ebnet den Weg für sich selbst erfüllende Prophezeiungen! Sie und Menschen, die aus sogenannten sicheren Drittstaaten in die EU einreisen, sollen in Verfahren an der EU-Außengrenze (Grenzverfahren) innerhalb von drei Monaten beschieden werden und bis dahin unter haftähnlichen Bedingungen ausharren – einschließlich ihrer Kinder!
  • Ablasshandel: Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, dürfen sich mit einem Quoten-Kopfgeld davon freikaufen!

Zu befürchten sind unter diesen Umständen Hoffnungslosigkeit, vermehrte Konflikte in Massenlagern, massive Zunahme und Chronifizierung seelischer Erkrankungen, innerfamiliärer Gewalt und Suizidalität, Entwicklungsverzögerungen bei Kindern, das Verlernen von erworbenen Fertigkeiten und Qualifikationen und vieles mehr.

Zu den durch die Innenminister der EU angedachten apokalyptischen Horrorszenarien passt die flankierende Politik in Deutschland ganz gut. Hierfür nur einige wenige Beispiele:

  • Die technischen Standards für Schiffe werden so gestaltet, dass viele Rettungsschiffe im Mittelmeer allein aus diesen Gründen nicht mehr fahren werden.
  • Durch unsägliche Nichtabstimmung, Schlamperei und unterlassene Kommunikation mit der Bevölkerung führt das Handeln von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik bei der Verteilung von Asylsuchenden letztlich zum Schüren massiver Ressentiments und Vorurteile gegen Geflüchtete!
  • Wenn das Bundesverwaltungsgericht urteilt, das NPD-Wahlplakat „Migration tötet“ sei zulässig, dann spricht das für sich.

Wir fordern die rasche und kompetente Integration geflüchteter Menschen: schulisch, sprachlich, im Wohnumfeld, im Arbeitsumfeld, in Vereinen, Verbänden. Dies sollte dezentral geschehen. Vorhandene Kompetenzen müssen rasch bestimmt, Ausbildung oder Anpassungsqualifizierungen angeboten werden. Sogenannter Fachkräftemangel muss nicht sein und sollte schon gar nicht durch „Brain drain“ (also Abwerbung von Fachkräften im Ausland) erfolgen. Geflüchtete kommen, um hier zu leben und hier zu arbeiten. 

Soziale, medizinische und psychologische Angebote sind dringend, ebenso wie Kitas, Schulen, Jugendclubs, Freizeitangebote – keine Lager, keine Zäune, keine Sonderpolizei, keine Spezialgefängnisse, keinen unüberschaubaren und undurchschaubaren Bürokratiewust, keinen Asyl-Ablasshandel, keinen Abschiebeknast („Abschiebezentrum“) am BER, keine Massenlager und Kinderknäste an der EU-Außengrenze – aber sichere Fluchtrouten. Es gibt ein Recht auf Asyl!

Vorstand der VVN-BdA im LDS