Kundgebung —Es gibt ein Recht auf Asyl!
Am 26.04.2023 stellten wir uns in Mittenwalde – gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Mittenwaldes, Menschen aus der LINKEN und von den Grünen – dem AfD-Aufmarsch entgegen.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten – ich heiße Martin Müller und spreche hier für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten im LDS. Wir sind sozusagen schon per Gründungsurkunde, dem Schwur von Buchenwald, verpflichtet, am Ort des Geschehens zu sein, wenn Nazis aufmarschieren oder Rassisten mobil machen. Wir sind heute hier, um uns solidarisch mit Geflüchteten zu zeigen und Neofaschisten entgegenzutreten! Wir sind hier für sichere Fluchtwege, Bleibeperspektiven und gelingende Integration!
Es gibt ein Recht auf Asyl! Und dieses Recht gilt es zu verteidigen! Wir sollten hier ganz klar unterscheiden zwischen diesem Recht, für das wir hier solidarisch stehen einerseits und einer schlechten Steuerung der Aufnahme und Integration Geflüchteter andererseits! Faschistische, rassistische Strömungen und Parteien schüren und nutzen Fremdenängste aber auch Politikfehler, um ihre Positionen mehrheitsfähig zu machen! Wir sagen Ja zu einer deutlichen Verbesserung auf dem Feld der Integration! Wir sagen Nein zum Schüren von Hass und Fremdenfeindlichkeit! – Worum geht es?
Kriege, Perspektivlosigkeit, Umweltkatastrophen und massive Not zwingen Menschen zur Flucht dahin, wo vielleicht ein Überleben möglich ist. Viele Millionen sind auf der Flucht – zumeist unter gnadenlosen Umständen. Einige davon kommen in Europa an, das einen Teil der genannten Fluchtursachen zu verantworten hat. Im Umgang mit diesen Geflüchteten vollziehen sich EU-weit Entwicklungen, die unbedingt unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Sie schränken nicht nur die Fluchtmöglichkeiten dramatisch ein, sondern bergen auch die Gefahr, dass solche gegen Migranten gerichteten Proteste mehrheitsfähig werden.
Einst wurde der Fall der Mauer von vielen gefeiert. Heute feiert man mehr als 2000 Kilometer zaunbewehrte EU-Außengrenze. Die Frontex-Einheit – wegen ihrer Übergriffe und Pushbacks in Verruf geraten – wird ausgebaut. Zahlreiche Länder und Organisationen werden dafür bezahlt, ausgebildet, ausgestattet und goutiert, dass sie Flüchtende internieren, nicht an die EU-Grenze lassen, sie aus internationalen Gewässern zurückholen. Niemand kann überprüfen, wie viele tatsächlich ertrinken – wie jüngst vor Sfax und Mahdia -, erschlagen werden oder verhungern und verdursten. Die Türkei, Libyen, Marokko wären hier insbesondere zu nennen. Marokko wird für seine beispiellosen Attacken bei der Abwehr von Flüchtlingswellen auf die spanischen Exklaven in Nordafrika damit belohnt, dass westliche Politiker das UN-Mandat zu Spanisch-Sahara schamhaft unter den Tisch fallen lassen. Aktuell versucht man auch, das bettelarme Tunesien für die Flüchtlingsabwehr zu gewinnen.
Auf der anderen Seite werden Seenotretter kriminalisiert, müssen wegen fadenscheiniger Anklagen vor Gerichte. Die Verschärfung der Bestimmungen zu technischen Standards für Schiffe durch die Bundesrepublik wird auch dazu führen, dass viele Schiffe nicht mehr zur Seenotrettung auslaufen dürfen. Das ist rein technisch und überhaupt nicht politisch gemeint!
In Europa angekommen werden Geflüchtete oft über Jahre im Unklaren über ihre Zukunft gelassen. Statt sofortiger Sprachkurse, rascher Anpassungsqualifizierung oder Ausbildung und Integration folgen oft Ghettoisierung, Retraumatisierung, Chronifizierung seelischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Depression, Angst, Zwang, Enuresis, psychosomatische Syndrome. Einst beherrschte Fertigkeiten werden verlernt. Familien zerbrechen, Suchtabhängigkeiten entstehen, ebenso wie Gewalt auf engstem Raum. Jemand, der jahrelang – oft unter schwierigsten, existenzbedrohenden Umständen auf der Flucht war – bedarf intensiver, fachlicher Hilfe: medizinisch, psychosozial, psychiatrisch, psychotherapeutisch etwa.
All denen, die über Fachkräftemangel lamentieren und gut ausgebildete Menschen aus Drittländern holen wollen, sei gesagt: Anstatt Menschen dort abzuwerben, wo sie teuer ausgebildet wurden und gebraucht werden, wendet die Mittel für die Menschen auf, die schon hier sind! Therapiert sie, bildet sie aus, integriert sie rasch und schafft nicht noch verschiedene Klassen von Geflüchteten!
Zum Abschluss noch einige Worte zum „Das Boot ist voll“-Geheule! Es gibt jenseits von humanitären Argumenten – für die, die sie nicht verstehen können oder wollen – auch knallharte ökonomische und demographische Argumente! Ein Fünftel bis ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen haben einen in der Familie noch erinnerungsfähigen Migrationshintergrund. Seit den 70er Jahren ist die Bundesrepublik ununterbrochen nicht annäherungsweise identisch reproduktiv – wie das die Demographen ausdrücken. Ohne Zuwanderung wäre Deutschland heute ein unter-60-Millionen-Altersheim. Im Vergleich dazu wäre das hoffnungslos überalterte Japan fast noch ein Jungbrunnen!
Wir fordern: Fluchtursachen dort zu bekämpfen, wo sie entstehen und Geflüchtete rasch und wirkungsvoll zu integrieren. Abrüstung, Systeme der Deeskalation, Kriegsvermeidungsstrategien, das Abwenden von Umweltkatastrophen und Hilfe zur Selbsthilfe sind die Methoden der Wahl, um Fluchtursachen einzudämmen.
Gehen wir heute gemeinsam gegen Abschottung, Rassismus und Neofaschismus vor! Auch wenn wir zu bestimmten Aspekten unterschiedliche Meinungen haben, sollte uns doch in Anbetracht der Geschichte eine Überzeugung einen: Von Deutschland dürfen kein Krieg, keine faschistische Entwicklung und kein Rassismus mehr ausgehen!
Danke!