Rede —Weltfriedenstag 03.09.2023
Am 03.09.2023 lud die VVN-BdA aus Anlass des „Weltfriedenstages“ und des „Tages der Erinnerung und Mahnung“ zu einer Veranstaltung in Königs Wusterhausen ein, wie jedes Jahr am VdN-Denkmal zwischen Schlossplatz und Schlosspark. Hier ist die Rede, die von Philipp Martens gehalten wurde, Kreisvorsitzender der Partei DIE LINKE in Dahme-Spreewald:
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, ich bin Philipp Martens, Vorsitzender der Gemeindevertretung Zeuthen und Kreisgeschäftsführer der Partei DIE LINKE. Kreisverband Dahme Spreewald.
Wir alle erinnern am heutigen Tag an den Beginn des zweiten Weltkrieges. Es gab auch schon vor dem Ende des zweiten Weltkrieges viele Bestrebungen an die Greul von Krieg und Tod zu erinnern und damit möglichst die Menschheit vor Wiederholungen zu bewahren. Der Aufruf „Nie wieder Krieg“ und die berühmte Kreide- und Pinsellithografie von Käthe Kollwitz entstanden bereits nach dem 1. Weltkrieg.
Am 1. 9. 1939 überfiel das faschistische Deutschland Polen und begann den zweiten Weltkrieg. Einen Krieg, der von unserem Boden ausging und der alles bereits da Gewesene in grauenhafter Weise übertraf. Ca. 65 Millionen Tote, ein Mehrfaches an körperlich Versehrten und ein Vielfaches an seelisch Versehrten hatte dieses Verbrechen zur Folge. Wir Gedenken der Millionen Opfer des deutschen Faschismus an diesem Tag.
In der DDR bereits ab 1946 und in der BRD erst ab 1957 wurde am 1.9. jährlich daran erinnert, dass sich der Schrecken es Krieges niemals wiederholen darf. Doch wie ging es nach dem Ende des 2. Weltkrieges weiter?
- 1946–1954 Französischer Indochinakrieg
- 1947–1949 Palästinakrieg
- 1950–1953 Koreakrieg
- 1955–1975 Vietnamkrieg
- 1961 Schweinebucht-Invasion
- 1965 Zweiter Indisch-Pakistanischer Krieg
- 1973 Jom-Kippur-Krieg
- 1980–1988 Erster Golfkrieg
- 1989 US-Invasion in Panama
- 1990–1991 Zweiter Golfkrieg
- 1991–2001 Jugoslawienkriege
- 1998–2003 Zweiter Kongokrieg
- 2001–2021 Krieg in Afghanistan
- 2003–2011 Irakkrieg
- Seit 2014 Krieg in der Ukraine
Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig und soll nur verdeutlichen, wie sich die Losung „Nie wieder Krieg“ nach dem zweiten Weltkrieg durchgesetzt hat. Gar nicht.
Nach Schätzungen wurden in den Kriegen nach dem 2. Weltkrieg genauso viele Menschen getötet wie im gesamten zweiten Weltkrieg. Das ist ein Armutszeugnis für die Menschheit.
In Deutschland herrschte bis 1999 Frieden im kalten Krieg bzw. von hier ging kein Krieg aus. Warum? Weil Deutschland die Frontlinie eines Krieges gewesen wäre. Nachdem die potenzielle Front nicht mehr unmittelbar durch Deutschland verlaufen wäre, also nach 1990, sondern Kriege nur noch Auslandseinsätze werden konnten, fiel auch in Deutschland – und das unter Führung von Sozialdemokraten und Grünen – die letzte Zurückhaltung mit der Beteiligung am völkerrechtwidrigen Kosovokrieg. Deutsche Bomben fielen wieder auf Belgrad. Es gab damals keine gesellschaftliche Bewegung, die das verhindern konnte UND – das möchte ich vorwegnehmen – es gibt sie bis heute nicht. Seit diesem Tabubruch ist Deutschland munter dabei seine Soldaten in alle möglichen Kriege zu schicken, aktiv zu kämpfen, zu töten, zu verletzen und zu versehren. Frei unter dem Motto „ICH DIENE DEUTSCHLAND“ macht sich die Bundeswehr auf, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und junges Blut für zukünftige Kriege – Neudeutsch „Konflikte“ – zu akquirieren. Würde sich die Regierung und die Bundeswehr ehrlich machen, würde auf den Werbebannern nicht stehen „ICH DIENE DEUTSCHLAND“, sondern, „ICH DIENE DEN INTERESSEN DER DAX-KONZERNE“. Die Militarisierung der Gesellschaft wird vorangetrieben und hat heute seinen bisherigen Höhepunkt erreicht.
Machen wir uns alle nichts vor. Der Vorsatz der Alliierten Deutschland zu Entmilitarisieren wurde im Kampf der Systeme alsbald ad acta gelegt. Sowohl die BRD als auch die DDR waren hoch militarisierte Staaten. Und die Militarisierung reichte bis tief in die Bevölkerung hinein. Die Militarisierung war in der Historie Deutschlands bisher immer ein sicherer Garant für Verderben. Eine Entmilitarisierung und damit meine ich besonders die Köpfe der Menschen, fand nicht statt.
1990 wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, mit dieser bitteren Erblast aufzuräumen, nach dem Ende des kalten Krieges eine Zeit des dauerhaften Friedens zu schaffen. Diese historische Chance wurde nicht genutzt. Dazu könnte ich noch stundelang reden.
Schauen wir uns an wo wir heute stehen:
Seit dem Beginn des militärischen Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde in der deutschen Politik eine sogenannte „Zeitenwende“ eingeleitet. Mittlerweile wurden tonnenweise Munition, Panzerhaubitzen, Mehrfachraketenwerfer, Gepard-Panzer, Kampfpanzer, Iris-Flugabwehrraketen, mobile Panzer- und Flugabwehrwaffen und weiteres Kriegsgerät im Wert von mehreren Milliarden Euro an die Ukraine geliefert. Von dem bis zum Überfall auf die Ukraine zumindest formal geltenden Grundsatz „Keine Waffen in Krisengebiete“ hat sich Deutschland als viertgrößter Waffenexporteur der Welt vollends verabschiedet.
Ein nachvollziehbares, politisch rationales Ziel der Waffenlieferungen ist nicht erkennbar. Vielmehr findet die jetzige Politik ihre Grundlage in dem Fahrwasser einer allgemein emotionalen Aufwallung. Deren Ursache ist teilweise die Angst vor einer eigenen Betroffenheit durch Kriegshandlungen und teilweise die Genugtuung darüber, nun endlich das „wahre Gesicht des Russen“ zu sehen und gegen ihn und andere außerhalb des eigenen westlichen Blocks aufrüsten zu dürfen. So verkündete der Hauptmann der Reserve und Bundesfinanzminister Herr Lindner bereits am 28.2.2022 in der ARD, dass die Bundeswehr eine der „schlagkräftigsten Armeen Europas“ werden solle, weil dies der „Bedeutung Deutschlands“ entspräche. Der Obergefreite und Oppositionsführer Friedrich Merz sagte am 27.2.2022 im Bundestag: „Genug ist genug! Das Spiel ist aus!“ Welches Spiel? Wohl der kalte Kampf zwischen den Blöcken der NATO und Russland. Herr Merz forderte damit den Übergang in die heiße Phase des Konflikts.
Nach Einschätzung von Militärexperten gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine die Oblaste Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Krim zurückerobern wird. Das ist der Ukraine seit dem Jahr 2014 für die abgespaltenen Gebiete im Donbass und der Krim schon nicht gelungen. Der Krieg ist für keine der beiden Seiten militärisch zu gewinnen. Es gibt in der Geschichte keinen Krieg, der nicht durch eine Kapitulation oder einen Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen beendet wurde. Da keine der beiden Konfliktparteien kapitulieren wird, ist ein sofortiger Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen die einzige Lösung. Waffenlieferungen zögern dies nur hinaus auf Kosten der Soldaten auf beiden Seiten und der ukrainischen Bevölkerung.
Wenn allseits davon geredet wird, dass die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung hat, dann ist dies keine politische Einschätzung, sondern eine Selbstverständlichkeit. Jeder hat dieses Recht. Es bedarf dafür keines Zuspruches. Die Frage ist bereits völlig falsch und vermischt das Recht und die Möglichkeit auf Selbstverteidigung. Eine andere Frage ist nämlich, ob der Angegriffene die Möglichkeiten hat sich zu verteidigen, sein Recht praktisch umzusetzen. Die Ukraine kann ihre formulierten Kriegsziele nicht erreichen, auch nicht mit westlichen Waffen. Es ist immer daran zu erinnern, dass eine generalmobilgemachte Ukraine einer noch nicht generalmobilgemachten Atommacht gegenübersteht. Im Übrigen hatten auch Jugoslawien, der Irak und Libyen – um nur wenige zu nennen – ein Recht auf Selbstverteidigung gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe, nur nicht die Möglichkeit. Warum? Weil uns und damit meine ich die Bundesrepublik Deutschland dieses Recht nur hier und da wichtig ist. Es klingt zynisch, ist aber ein Fakt. Sowohl diese Staaten bzw. ehemaligen Staaten als auch die Ukraine eint, dass sie zum Opferlamm der geostrategischen Denkspiele und Operationen von wirtschaftlich-militärischen Machtblöcken wurden und werden. Dieses System gilt es zu durchbrechen. Mehr Waffen befeuern dieses System nur.
Auch das Argument, dass Putin nicht nachgegeben werden könne, weil das ein Signal sei, dass sich Krieg lohnen würde, verfängt nicht. Die Doppelmoral dahinter ist, dass der Krieg ein völlig legitimes Mittel der Politik der westlichen Staaten ist und ein einträgliches Geschäft. Ein moralisches und wertebasiertes Fundament sucht man hinter diesem Argument vergeblich. Auch das sei gesagt: Jeder Vergleich zwischen der „Zurückhaltung“ der NATO und der Appeasement-Politik gegenüber Hitler ist der verzweifelte Versuch einem Krieg gegen Russland den Heiligenschein einer Anti-(Hitler)-Putin Koalition zu geben, der zwangsläufig in einer Verniedlichung der Verbrechen der Nazis mündet.
Friedensverhandlungen müssen zu einem akzeptablen Ergebnis für alle Seiten führen. Das liegt in der Natur eines wirklichen Friedens. Mit am Tisch werden die EU, die NATO und die USA sitzen. Die Ukraine war und ist ein Spielball der beiden Machtblöcke, genauso wie beispielsweise Jugoslawien, der Irak und Libyen ein Spielball waren. Der Obergefreite Herr Merz sieht es als Spiel an, dieses Kräftemessen der Blöcke. Auch für Putin, Medwedew, Biden, Trump, Obama und Bush (Junior wie Senior) zählen keine Menschenleben.
Das menschenverachtende „Spiel“ der Blöcke muss beendet werden. Wir müssen aus dem laufenden Stellvertreterkrieg aussteigen. Eine Zeitenwende hin zu einer wirklichen Friedensordnung in Europa und in der Welt und damit Abschaffung der NATO, eine Zeitenwende hin zu Abrüstung und zu kollektiven Sicherheitssystemen unter Einschluss möglichst aller Staaten ist das langfristig anzustrebende Ziel.
Wir müssen den Militarismus in unserem Land und in der Welt abstellen, endlich und endgültig. Das sind wir den Opfern des Faschismus auf ewig schuldig, liebe Genossinnen und Genossen.
Hinter mir auf dem Gedenkstein steht: „Den Toten zur Ehre – den Lebenden zur Pflicht.“
Das ist unsere Pflicht!
Nie wieder Faschismus!
Nie wieder Krieg!
Königs Wusterhausen, 3. September 2023